Biographischer Exkurs

Christoph Nichelmann – Ein Komponist aus Treuenbrietzen

 

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In diese Zeit und – vor allem in diese Stadt – wird Christoph Nichelmann am 13. August 1717 geboren. Das Taufregister der evangelischen Kirchengemeinde Treuenbrietzen verzeichnet unter der Nummer 30 für diesen Tag folgenden Eintrag:

 

„Den 13. Augusti früh zwischen fünf und 6 Uhr ist Mr. Christoph Nichelmannß, bürgerß, brauerß und Tuchmacherß Söhnelein geboren und den 15. ij. Getauft, Christoph.“ (Taufregister [1717] 1999)

 

Für die Ausbildungszeit in Treuenbrietzen werden die Namen der Herren Vogel, Andreas Schweinitz, Matthias Christoph Lippe und Johann Peter Bubel überliefert.  Sie unterrichteten ihn in der Allgemeinbildung, im Klavier- und Orgelspiel und im Singen.

 

Andreas Schweinitz und Matthias Christoph Lippe waren zur betreffenden Zeit Organisten.

 

Im Jahr 1730, Nichelmann war 13 bzw. 14 Jahre alt, wird er von seinen Eltern auf die Leipziger Thomasschule geschickt.

Auf der Grundlage seiner musikalischen Vorbildung nahm Johann Sebastian BACH (1685-1750) den jungen Christoph in die Reihen der Thomasschüler auf. Bach hatte seit 1723 die Position des Thomaskantors inne und betreute 54 Sänger, zu denen nunmehr auch Nichelmann gehörte.

 

Die musikalischen Unterweisungen in Leipzig müssen für Christoph Nichelmann die fruchtbarsten gewesen sein, die er je genießen durfte. In diese Zeit des Aufenthaltes in Leipzig fallen auch die ersten Kompositionsversuche. Nähere Ausführungen macht Hans-Joachim Schulze in seinem Aufsatz „Der Schreiber 'Anonymus 400' – ein Schüler Johann Sebastian Bachs“. (Bach-Jahrbuch 1972, S. 104ff).

 

1733 entschloss sich Christoph Nichelmann weitere Studien zu betreiben. In Hamburg wollte er die Musik des Theaters näher kennenlernen. Mit einem weiteren Alumnus, Johann Gottfried BÖHMEN (nicht näher identifiziert), ging er also nach Hamburg.

 

Bis 1738 blieb der Einundzwanzigjährige in Hamburg. Während dieser Studien arbeitete Christoph Nichelmann für ein Jahr auf dem Gut eines Adligen, um dessen Kinder zu unterrichten. Möglicherweise könnten finanzielle Schwierigkeiten zur Annahme dieser Stelle ausschlaggebend gewesen sein. Eine theoretische oder praktische Weiterentwicklung des jungen Komponisten dürfte sich zu dieser Zeit auf dem Lande kaum vollzogen haben.

 

Die musikalische Ausbildung war 1738 für Christoph Nichelmann abgeschlossen. Er reiste für kurze Zeit nach Treuenbrietzen zurück und musste sich nach einem Wirkungskreis umsehen, in welchem er das Ergebnis seiner Studien nun auch praktisch anwenden konnte.

 

So wendete er sich von seiner Heimatstadt nach Berlin, um im Rahmen der damaligen Liebhaberkonzerte ein Auskommen zu haben. Schnell brachte er Bekanntschaften zustande, die ihm auch später den Eintritt in die Königliche Hofkapelle ermöglichten.

 

Eine Sekretärstelle bei dem Reichsgrafen von Barfuss nahm Nichelmann für kurze Zeit an, da er sicher aus ökonomischen Gründen dazu gezwungen war und neben dieser Tätigkeit sich der Musik zuwenden konnte. Die Reichsgrafen von Barfuss gehörten zu den ältesten, reichsten und am weitesten verbreiteten Adelsfamilien in der Mark Brandenburg. Es darf angenommen werden, dass es sich um Ludwig Graf von Barfuss handelt, mit welchem die gräfliche Linie im Jahre 1741 erlosch. Eine Verbindung zum Grafengeschlecht derer von Dönhof wird in der einschlägigen Literatur ebenfalls aufgezeigt.

 

Da Nichelmann sich jedoch auf dem preußischen Lande nicht weiterentwickeln konnte, gab er diesen Posten sehr schnell auf und lernte Johann Joachim QUANTZ (1697-1773) und Carl Heinrich GRAUN (1703/1704-1759) kennen, mit denen er sich als Lernender und als Freund verbunden fühlte.

 

1742 starb Nichelmanns Vater. Er sah sich verlassen und von jeder wirtschaftlichen Unterstützung abgeschnitten. Im Ergebnis dessen reiste er 1744 erneut nach Hamburg, um von dort nach Frankreich und England zu gehen. Wiederum wollte Christoph Nichelmann eine neue Seite in seiner Biographie und in seinem musikalischen Wachsen und Werden aufschlagen.

 

Der Ruf Nichelmanns als hervorragender Komponist dürfte auch bis an das Ohr des Königs geraten sein. Eine Empfehlung von Quantz könnte ebenfalls der Auslöser für den Befehl gewesen sein, nach Berlin in die Hofkapelle zu kommen.

 

Er befolgte den Befehl und trat 1745 als Königlicher Cammer-Musikus in die Dienste des Berliner Hofes. Kompositorische Aufgaben wurden ihm zunächst zuteil. Später trat hierzu die Stelle des zweiten Cembalisten, neben Carl Philipp Emanuel BACH (1714-1788).

 

 

Das Verhältnis zwischen Carl Philipp Emanuel Bach und Christoph Nichelmann scheint in dieser Zeit der gemeinsamen Anstellung nicht immer ungetrübt zu sein. Diese Aussage taucht in den musikhistorischen Diskussionen wieder und wieder auf. Untersuchungen durch den Autor dieser Arbeit ergaben jedoch niemals direkte und offensichtliche Hinweise auf einen solchen Disput. Die Musiker in der Hofkapelle waren jeder für sich auf das eigene Wohl bedacht. Ein Umstand, der weder damals noch heute als absonderlich und außergewöhnlich herangezogen werden kann.

 

 

Das bürgerliche Leben, welches ihn schon von Haus aus prägte, setzte er auch hier fort. In den Kreisen der Liebhaber verkehrte er ebenso sicher, wie auf dem königlichen Parkett. Er schien überall geachtet und tauchte auch in den Lexika und Schriften des 18. und 19. Jahrhunderts immer wieder auf.

 

Am 16. August des Jahres 1746 verheiratete sich Christoph Nichelmann mit Johanna Christina Guthmann, der Tochter eines Berliner Kaufmanns.

Aus dieser Ehe gingen zwei Kinder hervor, deren Geburt im Evangelischen Zentralarchiv in Berlin nachweislich belegt werden konnte. Johann Christoph Nichelmann wurde am 11. Mai 1750 geboren. Mitglieder der Familie Guthmann sind hier als Paten genannte.

 

Der zweite Sohn Carl Ludwig Nichelmann folgte am 09. September 1753. Als Paten standen hier der Herr Capellmeister Carl Heinreich Graun (!) und Herr Johann Joachim Quantz (!). Weiterhin findet sich der Eintrag der Frau Major von Ziethen (!).

 

Die glücklichsten und erfolgreichsten Jahre im Leben Nichelmanns.

 

Nach elf Jahren ersuchte Christoph Nichelmann 1756 den König, seinen Abschied nehmen zu dürfen. Die Gründe hierfür bleiben im Dunkel. Noch im gleichen Jahr versuchte er, eine neue Anstellung zu bekommen, wie aus einem Brief hervorgeht, der in Kapitel III eine genauere Inspizierung erfahren soll. Schon am 02. Februar 1756 schrieb Nichelmann diesbezüglich auch einen Brief an seinen ehemaligen Lehrer Telemann. Dieser ist dem Anhang zu entnehmen.

 

Carl Friedrich FASCH (1688-1758) übernahm die Stelle Christoph Nichelmanns zu der Zeit, als der Siebenjährige Krieg ausbrach.

 

Die Tätigkeit in den letzten Lebensjahren kann nicht rekonstruiert werden. Acht Jahre, von denen Musiklexika des ausgehenden 18. Jahrhunderts und des 19. Jahrhunderts berichten, dass Christoph Nichelmann von Privatstunden lebte und in ärmlichen Verhältnissen starb. Er wurde nicht einmal 45 Jahre alt.

 

Der Tod lässt sich im Sterberegister mit dem 20. Juli 1762 nachweisen. Er wurde auf dem Marienfriedhof der Kirchengemeinde St. Marien in Berlin bestattet.